In der Presse

Reden im Dreisatz | Stuttgarter Zeitung

Zuhörer entscheiden innerhalb von 30 Sekunden, ob sie einer Rede folgen – also kurzfassen und keine Witze reißen.

Dieser Artikel erschien in der Stuttgarter Zeitung. Von Stephan Knieps.

Lesedauer 4 Minuten

An Anlässenmangelt es nicht – an schlechten Rednern allerdings auch nicht. Auf Hochzeiten, Geburtstagen oder Betriebsfeiern birgt das Halten einer Rede die größtmögliche Gefahr, sich lächerlich zumachen.Was aber macht eine gute Rede aus?

Die Vorbereitung
„Am Anfang steht die Recherche über das Thema oder die Person“, sagtAndreas Franken, Geschäftsführer der Akademie ManagementKommunikation und Reden schreiben. „Sie müssen Fakten und Zitate sammeln.“Dabei gilt:Nicht alles istwichtig. Mut zurLücke!Oft lohnt sicheinBlickindie Namensforschung, „oder man schlägt nach, was passiert ist, zum Beispiel vor 20 oder 30 Jahren amDatumderRede“, sagt Franken.

Die recherchiertenAnregungensollendazu dienen, auch originelle oder etwas abwegige Bezügeherzustellen,mitdemErwartbarenzu brechen und so das Publikummit einzubeziehen oder zu überraschen. „Und ichmusswissen, vor welchem Publikum ich rede“, sagt Claudius Kroker, Vorstandsmitglied des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache. Ist es ein technisches Fachpublikum? Oder ein Laienpublikum? Ist es eine private Feier?Wie vielweißmein Publikum?

Die Gliederung
Damit das Publikum einer Rede folgen kann, braucht sie eine Struktur. „Viele ungeübte Redner kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen“, klagt Kommunikationsexperte Franken. „Sie erzählen und erzählen, so dass sich die armen Zuhörer fragen: Wann kommt er denn endlich zumEnde?“Umso etwas zu vermeiden, empfiehlt er unbedingt eine Gliederung. Zum Beispiel den Dreisatz: Wie war es gestern, wie ist es heute, wie wird es morgen sein? Das schafft Klarheit. „Oder ich stelle fünf Fragen zum Thema oder zur Person.“ Wird diese – mindestens dreiund höchstens fünfgliedrige – Unterteilung zu Beginn der Rede angekündigt, können sich die Zuhörer daran orientieren und leichter folgen. ClaudiusKroker vomVerband derRedenschreiber ergänzt: „Wichtig ist, dassman nicht die ganze Zeit auf den Hauptteil der Rede verwendet.“ Einen gelungenen Einstieg und einen ebenso guten Schluss hält er für unverzichtbar. „Nichts ist schlimmer, als eine tolle Rede zu halten und am Ende eine Bruchlandung hinzulegen. So behalten die Zuhörer nur diese inErinnerung.“

Der Einstieg
„Die Zuhörer erwarten:Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, Sie zur VeranstaltungXYbegrüßen zu dürfen . . .Der Redner aber beginnt: Ja, ich lese die ‚Bild‘Zeitung. Und das hat gleich mehrere Gründe.“DasBeispiel desBerlinerRhetoriktrainers JensKegel verdeutlicht,wie ein Redner mit den Erwartungen seiner Zuhörer bricht, statt sie mit schon xmal gehörten Satzschablonen zu langweilen. Das ist grade amAnfang einer Rede wichtig, denn die Aufmerksamkeitsspanne nimmt nach einer halben Minute rapide ab. In den ersten dreißig Sekunden entscheidet der Zuhörer, ob er dem Rednerweiter folgt oder nicht.

Die Sprache
Vom SPD Politiker Franz Müntefering stammt das Zitat: „Ich kann nur kurze Sätze.“ Nichtwenige halten FranzMüntefering – nicht zuletzt deshalb – für einen begnadeten Rhetoriker. Kurze Sätze prägen sich ein, bei langen Verschachtelungen schalten die Zuhörer ab. „Die Sprechsprache sollte im Präsens sein. Sie sollte viele Verben undwenige Substantive haben“, sagtKommunikationsexperte Franken.

Der Redenschreiber Kroker empfiehlt zudem, Sprachbilder einzubauen. „Ich kann einfach Bilanzzahlen nennen – oder ich erzähle, wie wir alle auf einer Bergtour unterwegs sind,wo es nicht immer nur bergauf, sondern auch mal bergab geht.“ Solche Bildermüssen gar nicht originell sein – aber sie machen es den Zuhörern einfacher, die Botschaften zu verstehen.

Zitate sollteman sparsameinsetzen – und sorgsam auswählen. Auf Wikiquote.de, Zitate. de und anderen Internetportalen gibt es Zitatesammlungen, sortiert nach Themen, Stichworten und Personen. Eine gute Rede sollte unterhaltsam sein, aber zumAnlass passen. „Trocken, steif und nur sachlich gefällt uns nichtmehr.Wir sind verwöhnt durch Fernsehen und Internet, so dass wir auch bei einer Rede ein bisschen unterhalten werden möchten“, sagt Franken. Durch Witze erreicht man dies jedoch nicht: „Die Zuschauer sagen entweder, der Witz ist alt – odernicht lustig“, sagtFranken. Besser sei es, aus der Situation heraus Humor entstehen zu lassen. Oder eine schöne oder lustige Situation zu erzählen. „Je persönlicher, desto besser.“

Die Länge
Ein alter Spruch besagt: „Man darf über alles reden, nur nicht über 15 Minuten.“ Es stimmt jedenfalls: Gute Reden sind kurze Reden.Noch Ende der 80er Jahre sei das anders gewesen, sagt Franken.Dawar eineRede häufig zwanzig Minuten lang. „Heute dauern sie weniger als zehn Minuten, weil maninkurzerZeitBotschaftenbesser transportieren kann.“

Die Vorbereitung
„Es beeindruckt unsmehr,wenn jemand frei spricht, als wenn er an einem Manuskript klebt“, sagt Franken. Jedoch räumt er ein, dass dies nicht jedem liegt. „Zumindest die ersten drei, vier Sätzemeiner Rede sollte ich aber auswendig können.“

Auch Redenschreiber Kroker weiß: „Es gibt Menschen, die können improvisiert reden – viele können es nicht.“ Deswegen sei eine gute Vorbereitung so wichtig. Dazu arbeitet Franken gern mit Karteikarten, auf denen er die wichtigsten Stichpunkte seiner Rede notiert. Anschließend übt er die Rede, mitGestik, auchmal vor einemSpiegel.Wie lange? „So lange, bis es sitzt. Wenn ein Satz zu lang ist oder ich immer wieder über ein Wort stolpere, dann muss ich das ändern.“ Anschließend sucht er sich einen Vertrauten als ersten Zuhörer. „Jemand, der mir ehrliches Feedback gibt, sowohl darüber, was ich gut gemacht habe, als auch darüber,wasmir noch nicht gelungen ist. “

Die Zunge ist neben den Stimmlippen der wichtigste Muskel, der beim Sprechen beanspruchtwird, sagtdieStuttgarterSprechtrainerin Petra Ziegler. Die Zunge kontrolliert den Luftstrominnerhalb derMundhöhle und bestimmt, wie ein Ton klingt. Genauso wie Sportler vor einem Wettkampf ihre Muskeln aufwärmen, muss auch die Zunge vor einer Rede gelockert und gedehnt werden. Dazu empfiehlt Ziegler Lockerungsübungen für die Gesichtsund Sprechmuskulatur: Grimassen schneiden, Lippen vibrieren lassen, Breitmaulfrosch und Spitzmaulfrosch nachahmen, Luftküsse geben – „all die Dinge, die wir alsKind gern gemacht haben“.

Damit die Zuhörer auch akustisch verstehen, was derRedner ihnen sagenmöchte, rät Ziegler noch zu verschiedenen Einsprechübungen, die zur Klarheit der Sprache beitragen. Eine davon ist das Aufsagen von „mamemimomu“: Alle Vokale des Alphabets mit allen Konsonanten kombiniert einmal laut aufsagen. Dabei ruhig auch mal TonhöheundSprechgeschwindigkeit variieren, fünf bis zehn Minuten lang. Ziegler macht dieseÜbungen täglich. „DerMund ist eingeschlafen, also muss man ihn wieder aufwecken. Jeder professionelle Sprecher macht sich vor einemAuftrittwarm.“

Das Lampenfieber
Das beste Mittel gegen Lampenfieber ist eineguteVorbereitung,meintAndreasFranken: „Dann kannman sich ruhig auch selbst sagen: Ich habe das so gut verfasst, so gute Rückmeldungen bekommen, das klappt auch.“ Vor Ort sollte man sich alles genau zeigen lassen. Wenn möglich, empfiehlt Franken, das Gespräch mit den Gästen zu suchen. „Manmerkt dann, dass es nicht eine große Masse ist, sondern Menschen wie du und ich.Das beruhigt.“

Spricht der Redner über ein Mikrofon, ist unbedingt ein Soundcheck notwendig. Petra Ziegler rät dazu, mit einem Headset die eigene Stimme zu prüfen und gegebenenfalls mit dem Tontechniker vor Ort die ideale Toneinstellung zu finden. „Kurz vor dem Auftritt stelle ichmichnochmal vor einenSpiegelund prüfeKleidung undKörperhaltung“, sagt sie. Brustbein aufrichten, nicht verkrampfen. Wer verspannt steht, redet auch so, sagt sie. „Dann spreche ich laut die ersten Sätze meinerRede, mitGestik undMimik.“

Claudius Kroker warnt vor einem häufig begangenen Fehler: der vorweggenommenen Entschuldigung am Anfang. Damit sind Begrüßungssätze gemeint wie: „Eigentlich bin ich ja der Falsche für eine Rede“, oder: „Eigentlich kann ich dazu ja gar nichts sagen. . .“ „Viele meinen, das wäre witzig oder charmant“, sagt Kroker, „Es kann einen Redner aber auch unglaubwürdigmachen.“Wer eine Rede vorbereitet hat, darf auch dazu stehen.


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